Die Organisationsgurus pfeifen es von allen Dächern: Nach dem Minimieren kommt das Etikettieren. Brauchen wir das wirklich?
In meinen Beruf als Industrial Engineer ist Arbeitsplatzoptimierung eines meiner Themen. Grob gesagt optimiere ich also Greifräume, den Materialfluss, den Informationsfluss und schau auch nach ergonomisch sinnvollen Einstellungen der Höhen oder der Abstände. Worum geht es also im Wesentlichen? Der Mitarbeiter soll gut und schnell außerdem richtig und routiniert arbeiten können. Die Dinge, die der Mitarbeiter benötigt, befinden sich an immer fest bestimmten Orten, zu denen sie dann auch nach der Tätigkeit wieder zurückkehren.
Sollte ein anderer den Arbeitsplatz übernehmen, muss der Arbeitsplatz schnell und relativ einfach zu erfassen sein. Außerdem sollte der Arbeitsplatz leicht zu reinigen und schnell mit notwendigen Materialien zu bestücken sein. Hierbei wird darauf geachtet, dass die am häufigsten gebrauchten Gegenstände am nächsten am Mitarbeiter platziert sind.
Warum schreibe ich über die Arbeitsplatzoptimierung und was hat sie mit dem Etikettieren im eigenen Zuhause zu tun?
Ich habe all diese Dinge kennengelernt und wende sie auch im eigenen Zuhause an, um z.B. meine Schränke sinnvoll einzuteilen. Wie z.B. die Teller möglichst zwischen Spülmaschine und Esstisch oder die Gewürze nah beim Herd. Klassiker eben. In den Schubladen geht es aber oft recht wild zu. Nichtsdestotrotz weigerte ich mich oder verspürte eine innere Gegenwehr meine Schubladen mit kleinen Etiketten zu versehen. Ich verstand mich eher als grob organisierend und die Detailverliebtheit anderer bewunderte ich zwar, aber fand sie etwas zu viel des Guten.
Als ich dann aber etwas mehr versuchte auf Zero Waste umzustellen, stellte ich fest, dass eine andere Art der Aufbewahrung nun natürlich folglich irgendwie notwendig wurde. Ich entschied mich also für recycelte Glasflaschen und Dosen, die ich bereits besaß. Nun schauten wir jeden Morgen beim Müsli machen, die Flaschen durch, um zu sehen, was darin war. Jeden Tag kamen sie wieder in meist anderer Anordnung in die große Schublade. Was kein Weltuntergang war, aber eben doch seine kleine Extrazeit hier und da mit sich brachte. Nun war es also soweit und ich wollte die Flaschen und Dosen beschriften! Gedacht getan! Das Ergebnis war herrlich. Ein kurzer verschlafener Blick in die Schublade und immer auf Anhieb das richtige in der Hand. Ganz schnell – also super schnell – danach stellte sich auf magische Weise eine augenscheinliche Routine ein, wo welche Dose bzw. Flasche stand.
Ihr seht es wahrscheinlich schon kommen. Es blieb nicht bei den Müslidosen und Vorratsflaschen. Als nächstes beschriftete ich die Wäschekörbe. Völlig gleich der Müslidosen wurde das Wäschesortieren für alle Familienmitglieder leichter, da eine Sprache vorherrschte und keiner wirklich über das Wo nachdenken musste. Es stand ja drauf. Sogar die Kinder fragten z.B. nach den Gradzahlen und machten auf einmal selbstverständlicher mit. Sollte es so einfach sein?
Ich sollte meinen, dass wenn ich doch all dieses Wissen aus meinem Beruf habe, ich es auch ganz natürlich in mein Zuhause bringe, aber ganz so ist es nicht. Ein Zuhause hat so viele andere Aspekte der Ausrichtung, wie z.B. das Streben nach Behaglichkeit oder Entspannung als Optimierungsgrundlage, dass es nicht selbstverständlich ist, so zu handeln. Das zielgerichtete Organisieren, um sich den Alltag zu erleichtern, muss außerdem auch erledigt werden und die Routinen entsprechend gepflegt werden. Manches führt vielleicht zu Veränderungen oder Umstrukturierungen und auch das muss dann erst mal geschehen. Im Kleinen Anfangen und Schritt für Schritt war mein Ansatz ohne, dass es mir bewusst war.
Ich habe dann in dieser Woche tatsächlich meine Besteckschublade für Koch- und Backzubehör beschriftet, nachdem ich schon vor geraumer Zeit mir den Luxus von Trennelementen gegönnt hatte. Nun kann jeder beim Spülmaschine ausräumen ohne einen zweiten Gedanken zu verschwenden alles immer wieder an den genau gleichen Ort legen. Herrlich 😉
Ich habe einmal gelesen, dass wir einzelne Worte und Texte ständig lesen, ob wir wollen oder nicht, wenn sie in unser Sichtfeld kommen. Daher versuche ich die Dinge zumeist nur in den Schränken und Schubladen zu beschriften und so wenig wie möglich Worte im ständigen Sichtfeld zu platzieren, um zusätzliche Ablenkungen zu vermeiden.
Aber nun im Ernst klingt super pedantisch und vielleicht ist es das auch, aber es spart Zeit, führt zu nachhaltiger Ordnung und ich habe entschieden, dass ich ein großer Fan davon bin, nun auch meine eigenen Schubladen Zuhause genauso zu haben, wie die Arbeitsplätze, die ich in der Produktion optimiert habe.
Falls ihr jetzt Motivation getankt habt, dann wünsche ich euch ganz viel Spaß beim Etikettieren, eure Jasmin!